Schöner scheitern mit Hund

Leseprobe aus

„Schöner scheitern mit Hund“

von Ursula Muhr

                           


Das Schicksal wollte es, dass ich, als ich so weit in meinen Überlegungen zur richtigen Rasse gediehen war, eine Nachbarin traf, die ein gut faustgroßes Fellbündel an der Leine führte. Es war tatsächlich ein junger Hund. Der kleine Kerl stand entspannt auf dem Rasenstück vorm Haus und weidete Gras. Er sah aus wie ein schwarzes Schäflein, wie er da so Hälmchen um Hälmchen rupfte. Hunde tun das, es ist völlig normal.

In schafsmäßiger Ruhe eroberte das Hündchen mein Herz in einem Wimpernschlag. Ich fragte die Nachbarin aus, wie denn die sonstigen Eigenschaften des grasenden Tieres beschaffen wären und wusste dann, dass ich die passende Rasse für uns gefunden hatte. Es sollte ein Bolonka zwetna werden, ein Hund-gewordenes Zwergschaf. 

Wir hatten von Anfang an den festen Vorsatz, unser kleines Schoßtier nur mit Leckerlis, Streicheleinheiten und positiver Verstärkung zu erziehen. Das ist ein sehr löblicher Gedanke. Aber leider wusste Wutzdog nichts davon. Er genoss die Gutzis und die Streicheleinheiten, missdeutete aber ansonsten unser liebevolles Gurren als Schwäche und tanzte uns auf der Nase herum. Aber wie könnte man ein derart schnuckeliges Wesen schimpfen? Wir konnten es jedenfalls nicht. 

Mein Schwiegersohn konnte es sehr wohl, und wenn er dem aufmüpfigen kleinen Racker ein scharfes Kommando gab, dann spurte der, wenn er auch nicht fröhlich dabei aussah. Er hängte Schwanz und Ohren auf Halbmast und erweckte einen jammervollen und bemitleidenswerten Eindruck, aber er gehorchte. Doch Sie ahnen es: Uns gefiel das nicht. Ich schimpfte mit meinem Schwiegersohn, wie er mit dem armen Tier so harsch umgehen könne. Der aber antwortete, ein Hund ist ein Hund, auch ein kleiner Hund ist ein Hund, und der muss wissen, wer der Boss ist. 

Wer der Boss ist! Der Hund wusste das ganz genau. Wir mussten es erst noch lernen. 

Das wurde mir drastisch klar, als er sich eines Tages eine seiner zarten Zehen brach und ich ihn zum Tierarzt brachte. Wir hatten vermutet, dass er sich einen Rosendorn oder etwas Ähnliches eingetreten hatte und deshalb das schmerzende Pfötchen schon mehrfach untersucht. Inzwischen war Wutzdog quasi rotglühend vor Wut, und wenn jemand seiner Pfote zu nahekam, war er bereit, sich gegen jede Berührung notfalls blutig zu verteidigen. 

Der Tierarzt beschloss angesichts dieser Sachlage, dem kampfbereiten Tier einen Maulkorb anzulegen. Wieder einmal hörte ich den Satz: Auch ein kleiner Hund ist ein Hund und auch von einem kleinen Hund möchte man nicht gebissen werden. 

Wie wahr. Der Hund, klein oder nicht, war aber keineswegs bereit, seine Beißmöglichkeiten widerstandslos einschränken zu lassen. Ich versuchte, ihn festzuhalten (hoffnungslos, er bestand nur noch aus Muskeln, die sich gegen mich wehrten), dann holte der Arzt die Helferin dazu und gegen so viel geballte Kompetenz hatte der kleine Kerl schließlich keine Chance. Aber bei der ganzen Prozedur schrie er, was seine Lungen hergaben. Er bellte nicht, er knurrte nicht, er winselte nicht – er schrie aus Leibeskräften. Wie ein Kälbchen beim Schlachter. Es zerriss mir das Herz. Die anderen Herrchen und Frauchen, die im Wartezimmer saßen, sahen mir bleich entgegen, als ich aus dem Behandlungsraum kam. Sie hatten wohl den Verdacht, wir hätten den Hund mit bloßen Händen erwürgen wollen. Keiner wollte glauben, dass es nur um den Beißkorb gegangen war.

Als dieser endlich um den widerspenstigen Wutzdog geschnürt war und er resigniert und – seiner Meinung nach – völlig entehrt auf dem Behandlungstisch stand, sah mich der Tierarzt mit milder Resignation an. 

Frau Muhr, sprach er, so geht das nicht. Sie müssen Ihren Hund im Griff haben. Auch ein kleiner Hund – na ja, das kannte ich ja schon. Zum Glück gab er mir einige überaus nützliche Hinweise, wie ich es schaffen könnte, dem Hund zu zeigen, wer der Boss ist. Es war sozusagen Rettung in letzter Minute. Wutzdog hatte schon fast das Regiment übernommen und es war ziemlich anstrengend, ihm zu beweisen, dass er auf dem Holzweg war. Denn eines wurde uns jetzt klar – auch ein kleiner Hund kann ein überaus herrischer Hund sein. Und wir hatten ausgerechnet ein außerordentlich widerspenstiges Exemplar. Das Schäfchen der Nachbarin? Tja, man sollte nie von einem Hund auf den anderen schließen. 

Wutzdog ist jedenfalls innen größer als außen. 

Im Nachhinein dachte ich mir öfter, die Assoziationen, die ich angesichts des Nachbarshundes hatte, hätten mich stutzig machen sollen. Wer bei einem Hund sehnsüchtig an ein Schaf denkt, sollte sich das Ganze vielleicht noch einmal überlegen.

 

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